Tragödie in Sindelfingen

Wir sind zutiefst bestürzt über das, was sich am 11. Mai 2023 im Mercedes-Benz Werk in Sindelfingen ereignet hat. Unsere Gedanken sind nicht nur bei den Verstorbenen und ihren Angehörigen, sondern auch bei denen, die dieses schreckliche Ereignis miterleben mussten.

Es gebietet der Respekt, sich nicht an Spekulationen zu möglichen Motiven dieser schrecklichen Tat zu beteiligen. Andererseits kann niemand einfach so zur Tagesordnung übergehen, denn so richtig es ist, die Ermittlungsergebnisse der Sonderkommission „Halle“ abzuwarten, so notwendig ist es auf der anderen Seite, eine ehrliche und genaue Bestandsaufnahme vorzunehmen.

Dort, wo in der Vergangenheit Versäumnisse und Hinweise nicht ernst genommen worden sind, sollten diese jetzt dringend eine andere Bedeutung bekommen und entsprechende Konsequenzen gezogen werden.

Diese schreckliche Tat ereignete sich ausgerechnet in der prestigeträchtigen Factory 56, in der seit 2020 S-Klasse und EQS produziert werden. Schon länger gibt es ernstzunehmende Beschwerden von Mitarbeitern sowie Führungskräften von dort über unhaltbare Zustände. Zustände, die man sich als Außenstehender nicht vorstellen kann. In manchen Bereichen herrscht ein Klima der Angst und Ohnmacht. Ohnmacht deshalb, weil von offizieller Seite bisher niemand die Beschwerden ernst genommen hat – und wir reden hier nicht über Beschwerden wegen einzelner Meinungsverschiedenheiten, sondern über schwere Vorwürfe wie Gewaltandrohungen.

Unsere Zentrum-Betriebsräte sind daher schon Monate vor der Tat tätig geworden und traten sowohl an die Personalchefin als auch an die Werksicherheit heran und haben diese aufgefordert, gegen die untragbaren Zustände vorzugehen. Die Personalchefin hat sich bisweilen zu dem Thema ausgeschwiegen. Von Seiten des Sicherheitsdienstes heißt es lapidar, dass er schon längst kapituliert hätte und unterbesetzt sei.

In Untätigkeit übte man sich auf Seiten der Verantwortlichen allerdings nicht komplett. Die Werksicherheit sah sich bemüßigt, die Zentrum-Betriebsräte in Sindelfingen aufzufordern, die Deutschland-Flagge, die sie vor Ewigkeiten einmal zu einem Fußball-Event an ihrem Bürofenster aufgehängt hatten, abzunehmen, da sie den Betriebsfrieden störe. Interpretieren kann man eine solche Aktion in diesem Zusammenhang mit den Worten von Kurt Tucholsky: „In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht.“

Das nach der Tat ausgesprochene Bedauern von offizieller Seite wird erst dann vollumfänglich glaubwürdig, wenn eine tiefere Ursachenforschung ehrlich und transparent vorgenommen wird. Bisher sehen wir davon nichts!

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