Das Ende des Verbrennungsmotors in Europa ab 2035 scheint besiegelt. Es gibt zwar eine Ausnahmeregelung für Autos, die mit E-Fuels betrieben werden, aber irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieses Hintertürchen deutsche Autobauer mehr stört als freut.
Ola Källenius schwört die Mitarbeiter von Mercedes-Benz schon seit seiner Amtsübernahme im Mai 2019 auf den Elektrik-Kurs ein. Erst hieß die Devise „Electric first“, seit Juli 2021 nun „Electric Only“.
Als das Handelsblatt im November 2020 titelte: „Geheimprojekt „Horus“: Chinesen bauen künftig im großen Stil Mercedes-Motoren“ dürfte sich der ein oder andere gefragt haben, wie denn das jetzt ins Konzept passe und was der Daimler-Vorstand damit im Schilde führe. Dazu muss man wissen, dass Europa – auch wenn es sich gerne so geriert – nicht der Nabel der Welt ist. Verbrenner-Verbote sind mittelfristig nur in der EU und im US-Bundesstaat Kalifornien geplant. Es wird also auch weiterhin eine massive Nachfrage nach Verbrennerautos geben. In diesem Lichte scheint das Projekt „Horus“ also durchaus Sinn zu machen.
Was steckt genau hinter dem Projekt „Horus“?
Ab 2024 baut Geely im großen Stil Vierzylindermotoren für Mercedes. Versorgt werden sollen alle sogenannten kleinen Baureihen – später wohl auch als Ersatz für die noch vorhandenen Sechszylindermotoren. Der Mercedes-Vorstand erwartet damit jährliche Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich.
Deutsche Powertrain-Standorte – die großen Verlierer
Das Handelsblatt sah damals Renault als den „großen“ Verlierer, denn mit der neuen Motorenkooperation würde wohl die Zusammenarbeit mit Mercedes auf Motorenebene enden. Die wahren Verlierer sind aber die deutschen Powertrain-Standorte – allen voran Stuttgart-Untertürkheim. Massive Stellenstreichungen wurden bereits beschlossen. Eine Verlagerung eines „neuen Weltmotors“ nach China stellt die europäischen Werke ganz klar noch weiter ins Abseits. Da hilft auch nicht der Beisatz, dass der Motor für die in Europa abgesetzten Pkw auch aus „Europa“ kommen könne. Diese Aussage ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten.
Der jahrelange Lobgesang auf Untertürkheim als „Herz (Motor) des Automobils“ scheint nur eine Beruhigungspille für die Mitarbeiter gewesen zu sein. Soll ihnen dieses Herz nun herausgerissen werden und in China weiter schlagen?
Kein Ende des Verbrennungsmotors, nur eine Verlagerung im großen Stil
Mit diesem Projekt wird eine der letzten wertschöpfenden Tätigkeiten nach China verlagert. Und es bestätigt sich, dass der Vorstand nicht an das Ende des Verbrennungsmotors in naher Zukunft glaubt, denn sonst wäre das Projekt spätestens mit Verkündung der „Electric Only“-Strategie auf Eis gelegt worden.
Aktuell arbeiten chinesische Kollegen in Untertürkheim. Man kann also davon ausgehen, dass alles wie geplant umgesetzt wird.
Vom „Leit“-Werk zum „Leid“-Werk
Als Leitwerk war es schon immer die Aufgabe der Untertürkheimer, Kollegen aus anderen Werken und Ländern einzulernen – egal, ob diese aus Sebes, Beijing, Jawor oder anderen Werken kamen. Doch mit dem neuen Volumenmotor, der dann vornehmlich in China gebaut wird, scheinen die Untertürkheimer vom „Leit“-Werk zum „Leid“-Werk zu verkommen.
Warum das Projekt den Namen „Horus“ bekommen hat, ist nicht bekannt. Horus war ein Hauptgott in der alten ägyptischen Mythologie. Er wird auch als der Himmelsgott bezeichnet. Mit dem Himmel hat Daimler bereits Erfahrung gemacht. Vor Jahren hatten das Unternehmen die Hochzeit im Himmel mit Chrysler. Es folgte dann eine der teuersten Scheidungen. Vielleicht nicht das beste Omen.
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