»Game Over?« Zentrum-Rundbrief #91

Daimler zieht den Sack zu. Alle Vereinbarungen der jüngeren Vergangenheit haben die Firma in die Lage versetzt, dass nun die deutschen Standorte abgewickelt werden können. 

Um die aktuellen Gespräche an den jeweiligen Standorten, konkret am Beispiel des Powertrain Standort Untertürkheim, einordnen zu können, sind zuvor ein paar Rahmenbedingungen zum besseren Verständnis notwendig. 

Der politisch-mediale Komplex, die geneigte Öffentlichkeit und große Teile der Zivilgesellschaft, allen voran die großen Gewerkschaften, haben über Jahre hinweg den Weg bereitet, um dem konventionellen Antrieb den Garaus zu machen. Auf allen Ebenen wird die sowohl ökologisch als auch ökonomisch unsinnige batteriebetriebene E-Mobilität gefordert und gefördert. Gleichzeitig wird ein Kampf gegen den Verbrennungsmotor im Speziellen und das Auto im Allgemeinen, geführt. Und damit einhergehend die Vernichtung hunderttausender Arbeitsplätze in Deutschland. 

Um den sozialen Frieden zumindest der Form halber vorerst nicht zu gefährden, wird den Menschen mit Nebelkerzen auf der einen Seite suggeriert, jeder wird mitgenommen (IG Metall „FairWandel“), um sie dann gleichzeitig auf der anderen Seite durch die übliche Salamitaktik langsam über den Tisch zu ziehen. 

So sagte im IG Metall WebTalk der Daimler Vorstandsvorsitzende, Ola Källenius, noch im Juli 2020 väterlich: „…jetzt haben wir vielleicht das Glück als Daimler, dass wir eine sehr, sehr robuste Liquidität haben und sogar eine Jahrzehnt- fast Jahrhundertkrise überleben können, ohne dass die Liquidität knapp wird“.

Trotzdem wird dann kurz vor der Sommerpause mit dem ihm wohlgesonnenen GBR (IG-Metall) eine Vereinbarung mit einer noch nie dagewesenen Kostenreduzierung beschlossen. 

Einige Eckpunkte daraus: 

  • „Sozialverträgliche Regelungen, wie Abfindungen, ATZ usw., um den angestrebten Abbau von 15.000 Arbeitsplätzen zu realisieren.
  • Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich für einen erheblichen Teil der Belegschaft
  • Aussetzen der Erfolgsbeteiligung.
  • Die Ankündigung, dass Gespräche über weitere konkrete Einschnitte an den jeweiligen
    Standorten nach der Sommerpause beginnen.

Diese Gespräche wurden in Untertürkheim nun gestartet: Die Werkleitung (WL) unterbreitete in den letzten Tagen den Mitgliedern des Betriebsausschusses (BAS) ihre Vorstellungen. Und diese haben es in sich. Damit die Firma krisensicher, eigenständig und handlungsfähig bleiben kann, müssen nach den Vorstellungen der WL drastische Schritte vorgenommen werden. 

Konkret: Für den Standort Untertürkheim bedeutet dies in einem ersten Haltepunkt einen geplanten Personalabbau von ca. 4000 Kollegen allein für das Werk 10 bis zum Jahr 2025. Für die Entwicklung liegen noch keine Zahlen vor. Es ist absehbar, dass auch hier umfangreich abgebaut werden wird. 

Für die Werkleitung haben zukünftig konventionelle Aggregate keine strategische Relevanz mehr. Es gilt von nun an „electric first“. Deswegen sollen viele zugesagten und noch nicht realisierten Produkte, Fertigungs- und Montageumfänge für den konventionellen Antrieb nicht realisiert werden. Für die verbliebenen Produktionsumfänge auslaufender konventioneller Antriebe, sollen zukünftig mehr die internationalen Standorte herangezogen werden. Produktion am Standort Untertürkheim soll faktisch nur noch zum „Know-how-Erhalt“ verbleiben, inklusive der Produktionsumfänge, der in Aussicht gestellten Batteriezellfertigung. 

Bisher waren wir als Leitwerk Hauptlieferant, zukünftig sollen wir höchstens noch die Spitzen abdecken. Der Standort und explizit das Werk UT, ist zu teuer. Zukünftig werden Produktentscheidungen knallhart nach Wirtschaftlichkeit im weltweiten Produktionsverbund vergeben oder gleich ganz fremdbezogen. Wenn überhaupt noch etwas produziert wird, dann nur in einer sogenannten „Mischkalkulation“. 

Wir dürfen gespannt sein, wie die IG Metall dies mit ihrem Anspruch der Internationalen Solidarität in Einklang bringen will. Ist das doch in ihrer Sprache Ausbeutung der Ärmsten. Aber wen Kinderarbeit und Umweltverschmutzung, Zerstörung ganzer Ökosysteme im Kongo und ähnlichen Ländern für die „tolle“ Verkehrswende nicht stört, wird auch dabei weiter ruhig schlafen können. 

Für den Werkteil UT soll knapp die Hälfte an Produktionsfläche verschwinden, um so genannten „Center of Competence“ zu weichen. Müßig zu erwähnen, dass dies fast keine Arbeitsplätze schafft. Niemals wird dadurch auch nur ansatzweise der enorme Personalüberhang aufgefangen. 

Es ist schwer zu sagen, was bemerkenswerter ist: 

  • Die Härte der Botschaft der WL mit ihren klaren, unmissverständlichen Ansagen, dass zukünftig Motoren und Getriebe am Standort keine Zukunft mehr haben und UT faktisch nur noch eine Randnotiz im internationalen Produktionsverbund spielen wird,
    oder 
  • die gespielte oder tatsächliche vorhandene Überraschtheit der IG Metall-Betriebsräte, die auf einmal mitbekommen dürfen, dass so ziemlich alle Vereinbarungen und Versprechungen der Vergangenheit eben genau das sind, als was wir sie immer schon bezeichnet haben: Seifenblasen, Worthülsen, reine Absichtserklärungen als Beruhigungspillen mit dem Ziel, die Belegschaft solange bei der Stange zu halten, bis alle internationalen Standorte so ausgebaut sind, dass wir abgewickelt werden können. Und da stehen wir jetzt.

Um es deutlich zu sagen, wir werden nicht mehr gebraucht! 

Was ist zu erwarten? 

Die Verantwortlichen im Management können sich daher beruhigt zurücklehnen. Egal wie es kommt, sie sitzen am längeren Hebel. Denn wenn die IG Metall auf die Einhaltung der Vereinbarungen pocht, sind betriebsbedingte Kündigungen realistisch umsetzbar. Oder die IG- Metall knickt ein und wird, nachdem zuvor fürs Publikum noch einmal ein groß inszenierter Protest abgehalten wurde, der strategischen Ausrichtung der Firma grünes Licht geben, den Personalabbau „sozialverträglich“ zulassen und somit dem Ende der produzierenden Automobilindustrie samt Zulieferindustrie nichts entgegensetzen. 

Wie soll es auch anders sein? Die großen Gewerkschaften selbst stehen alternativlos zur Transformation, sie sind sogar stolz darauf, dass sie die Ersten waren, die diese Zukunft eingefordert haben. 

 

Was ist tun?

Realistisch gesehen ist es 5 nach 12. Jedes einigermaßen vernünftige Land mit einer einigermaßen vernünftigen Gesellschaft und einer einigermaßen vernünftigen Regierung würde nicht den Ast absägen, auf dem alle sitzen. Aber genau dies geschieht. Nicht erst seit heute, aber jetzt wird es sichtbar. 

Handeln statt Reden

Was wir also brauchen um überhaupt noch einen Hauch einer Chance auf eine Zukunft für uns und unsere Kinder zu haben, ist eine radikale Abkehr von diesem verhängnisvollen Weg. Dies muss aber mit einem gesellschaftlichen Aufbegehren der Mittelschicht einhergehen. Wir müssen der Regierung und ihren Helfershelfern in Politik, Medien, Zivilgesellschaft und den Bossen der großen internationalen Konzerne das Mandat entziehen. Wir brauchen quasi einen „Generalstreik der Mittelschicht aller faktischen Leistungsträger in dieser Gesellschaft-“. Die Regierung samt ihrer Entourage muss quasi in Quarantäne geschickt, einem Lock down unterzogen werden. Überall beginnen Menschen zu begreifen, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Die angeblichen Eliten haben unser Vertrauen nicht mehr verdient. Wir müssen alternative Wege gehen. Nur wenn dieser gesellschaftliche Wandel in nennenswertem Umfang gelingt, verbunden mit einer konsequenten Abkehr von denen, die diesen Schlamassel zu verantworten haben, kann vielleicht noch gerettet werden, was noch zu retten ist. 

Für die Kollegen im Unternehmen heißt dies konkret: Raus aus den etablierten Gewerkschaften und rein in alternative Strukturen!

Eure Zentrum-Betriebsräte

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